Johann Melchor                        Es ist vollbracht!

von Diepenbrock                          Nach Onostrio Minzoni

1798 - 1853

                                                                            Als bei dem letzten Ruf aus Jesu Munde

Die Gräber klafften, Felsen jäh zersprangen,

Da fuhr vom Schlaf, dem drei Jahrtausend langen,

Adam empor im finstern Hadesgrunde;

 

Erhob das Haupt, stund auf, wälzt’ in die Runde

Den starren Blick, und frug mit Staunen, Bangen,

Wer jener sei, den er am Kreuz sah hangen,

Entseelt und blutend aus so mancher Wunde?

 

Und als er’s hört, durchbebt ihn Schreck und Schauer,

Das greise Haar zerreißt er, schluchzt und stöhnet,

Und Reu’ und Scham die welken Wangen rötet;

 

Dann zur Genossin wendend sich voll Trauer

Ruft er, daß rings der Berg davon erdröhnet:

„Ich habe meinen Herrn um dich getötet!

 

 

 

 

 

Johann Melchor                        Die reine Liebe

von Diepenbrock                      Nach dem heil. Franz Xaver.

1798 - 1853

                                                                            Nicht fühl’ ich dich zu lieben mich gezogen,

O Gott, durch die verheiß’nen Himmelsfreuden;

Noch hat, was dich beleidiget, zu meiden,

Die Furcht der Höllenqualen mich bewogen.

 

Du selber bist’s, der mir mein Herz entzogen,

Blutbräut’gam! seh’ am Kreuze ich dich leiden,

Seh’ dich verhöhnt in Angst und Not verscheiden,

Vergießend all dein Blut in reichen Wogen.

 

An solcher Lieb’ ich meine Lieb’ entzünde;

und wär’ der Himmel nicht, icht müßte lieben:

Und wär’ die Hölle nicht, ich flöh’ die Sünde.

 

Säh’ Höll’ und Himmel ich in nichts zerstieben,

Daß Lohn nicht mehr, nicht Strafe mehr bestünde,

Die Lieb’ um Liebe wär’ mir dennoch blieben!

 

 

 

 

 

 

Johann Melchor                        Die Harfe Davids am Kreuze.

von Diepenbrock                      Frei nach Cristoval de Villarroel.

1798 - 1853

                                                                            Am Siegesbaum seht Davids Harfe hangen!

Seht, wie statt Saiten sich die Nerven, Sehnen,

Schmerzlich gestimmt, nach dreien Nägeln dehnen!

Hört, welch ein Schwanenlied sie bebend sangen!

 

Ein Lied von sieben Worten, sieben Tönen,

Die schauerlich durch alle Sphären drangen;

Es hört sie die Natur mit Schreck und Bangen,

Der Hölle Pforten selbst davon erdröhnen.

 

Ja, bis zum Himmel dringt des Liedes Stöhnen,

Und wo bisher nur Jubelhymnen klangen,

Da weinen nun die Engel Mitleidsthränen.

 

Wie schrecklich hast, o Mensch! du dich vergangen,

Wenn, deines Frevels Mißlaut auszusöhnen,

Die Himmlischen solch Schmerzenslied verlangen!

 

 

 

 

 

 

Johann Melchor                        Der gotische Dom

von Diepenbrock      

1798 – 1853                                                   Ein Wald von Säulen, schlank, wie deutsche Eichen,

                                                                            Strebt himmelan; es wölben sich die Kronen

Zu hohen Hallen; Pflanzen aller Zonen

Umranken rings den Bau, den wunderreichen.

 

Die fromme Tierwelt zieht hinein, zum Zeichen,

Sie diene gern den Heilgen, die rings thronen,

Indes hinausgebannet die Dämonen

Als Ungetüm’ in hartem Dienste keuchen.

 

Wo sich der dunkle Säulenhain dem Lichte

Erschließet, schaut in glühndem Farbenglanze

Entzückt das Auge himmlische Gesichte.

 

Sagt, ist’s ein Zaubergarten, dieses ganze?

Das Paradies ist’s: ward’s durch Schuld zunichte,

So weiß die Andacht, wie sie neu es pflanze.

 

 

 

Johann Melchor                        Jesu Einzug in Jerusalem

von Diepenbrock      

1798 - 1853                                                    Kann dich, o Herr, dies Hosianna freuen,

Dich, daß sich heut’ dir alle Stirnen neigen,

Daß man die Pfade dir mit Blumen, Zweigen,

Ja, mit Gewanden eifert zu bestreuen?

 

Du schweigst?   Du seufzest?   Was besagt dies Schweigen? –

Ach, diese Lämmer, morgen sind es Leuen;

Aus ihrer Kehle droht, - der ungetreuen,

Ein fürchterliches „Kreuz’ge ihn!“ zu steigen.

 

Für das Gezweige, für das grünbelaubte,

Wird man ein and’res bieten, gut zu Schlägen;

Schilf und Gedörf für Lilien und Rosen.

 

Man wird, statt daß man jetzo deinen Wegen

Die Kleider weiht, die man sich selber raubte,

Ach, nur zu bald die deinigen verlosen!